Impressionen aus Marokko
1994 machte sich eine Gruppe von etwa 15 Enten aus mehreren europäischen
Ländern auf, um - von Portugal kommend - Marokko zu erobern. Um ein bisschen
für das schwierige Gelände zu üben, hatten sie in Portugal die
Serra da Estrela auf unwegsamsten Pfaden erkundet. Doch was sie dann in Marokko
erleben sollten, übertraf ihre kühnsten Erwartungen - und ihre schlimmsten
Befürchtungen!
Die
großartige Landschaft des Atlasgebirges verlangte Menschen und Material
einiges ab... Straßen verdünnten sich allmählich zu einspurigen
Asphaltbändern, wurden zu Pisten, setzten sich in ausgetrockneten Flussläufen
fort und verloren sich schließlich ganz in unstrukturiertem steinigen
Untergrund...
Die Verhältnisse forderten ihren Tribut: Rahmen knickten oder brachen;
Übergepäck rächte sich in Form von Krafteinbußen, Unaufmerksamkeit
des Fahrers führte (neben anderen Gründen) unweigerlich zu Dellen
im Unterboden (deCarbon-Federungen bringen's hier nicht wirklich)... ja, und
wieviele Reifen schließlich dran glauben mussten, das hat wohl auch keiner
ernsthaft gezählt. Hier werden gerade die ärgsten Blessuren verarztet...
Zur
Streckenführung wäre zu sagen, dass wir - von Ceuta (der spanischen
Niederlassung in Afrika) kommend - zunächst Chefchaouen ansteuerten, wo
wir erstmals mit marokkanischer Lebensart konfrontiert wurden (was bei einigen
einen gelinden Schock auslöste - mit zunehmender Assimilierung bekamen
wir aber auch dieses Problem in den Griff). Das Eintauchen in eine fremde Welt
fordert auch seinen Preis. Wir überqueren den Mittleren Atlas und treffen
einander wieder in Midelt, wo wir die schwierigste Etappe der Raid in Angriff
nehmen: Im einzigartigen Cirque de Jaffar (unbeschreiblich in seiner Schönheit,
aber auch in dem Leiden, das er uns verschafft) öffnet sich ein grandioses
Panorama des Atlasgebirges, und die Ente klebt winzig am Rande des Abgrunds...
Sie transportiert uns längst nicht mehr, vielmehr müssen wir sie mit
aller Vorsicht und unter vielen Gebeten zentimeterweise weiter bugsieren, bis
sie irgendwann nach endloser Zeit wieder festeren Untergrund unter den Rädern
spürt...
Das
Camp am Lac Tislit erreichen wir erst nachts, nach Einbruch der Dunkelheit -
erschöpft, aber glücklich. Es ist recht frisch hier, auf dieser Höhe...
am Morgen, bei Tageslicht dann Schadensbegutachtung. Das Berberdorf Imilchil
lockt in der Nähe... ja, und dann geht es in die berühmte Todra-Schlucht,
ein landschaftliches Großereignis von etwa 14 km Länge.
Ein
nicht gerade harmloses Gelände, aber im Vergleich zu dem, was wir gerade
hinter uns haben, die reinste Erholungsstrecke.
Am
anderen Ende der Schlucht (sozusagen am "Touristeneingang") nahe Tinerhir
wartet ein bequemes Hotel mit gepflegtem Abendessen, Dusche bei Kerzenschein
und Übernachtung auf der Dachterrasse unter freiem Sternenhimmel (wir ziehen
jedoch die Ente vor, bei offenem Dach, versteht sich).
Von
der Oase Tinerhir geht es ostwärts nach Erfoud, dorthin, wo Marokko Anteil
an der Sandwüste hat. Der erste Flugsand auf der Asphaltstraße...
In Erfoud warten wir aufeinander, und unsere portugiesischen "Organisatoren"
hüllen sich in die abenteuerlichsten Kopfbedeckungen, um sich - wie sich
später herausstellt - gegen den feinen Wüstensand zu schützen.
Nach Stunden des Wartens brechen wir auf in die Sandwüste; wir folgen zunächst
noch der Telegraphenleitung, doch irgendwann müssen wir abbiegen, und dann
gibt es nur noch den Kompass und die Ortskenntnis unserer Führer. Zu allem
Überfluss kommt jetzt auch ein Sandsturm auf, urplötzlich ist er da
und presst mit einer derartigen Heftigkeit das geöffnete Klappfenster nach
oben, dass ich alle Mühe habe, es zu schließen. Aber auch bei geschlossenen
Fenstern kann man zusehen, wie die Sandschicht im Wageninneren gar nicht so
langsam, aber stetig anwächst...
Irgendwann haben wir auch das überstanden, verbringen eine Nacht in der
Wüste, fahren anschließend über Merzouga nach Rissani und erreichen
nach einer weiteren abenteuerlichen Etappe Zagora, den südlichsten (und
mit über 42° heißesten) Punkt unserer Reise. Von hier sind es
"noch 53 Tage bis Timbuktu" (am anderen Ende der Sahara) - wie ein
berühmtes Schild vermeldet.
Wir
spannen einen Tag aus, bevor wir Marrakesch ansteuern: mittlerweile sind wir
einigermaßen versiert im Feilschen, und so wagen wir uns in den Souk;
am Platz der Gaukler (Djemaa el Fna) herrscht reges Treiben, vor allem abends
und bis spät in die Nacht, während er tagsüber wegen der Hitze
eher ausgestorben daliegt. Über Fes und seine Medina mit den engen Gassen
geht es dann noch einmal nordwärts an die Küste zu einem Badetag in
Al Hoceima, bevor wir in Chefchaouen (unserem Ausgangspunkt in Marokko) dann
das große Abschlussfest zelebrieren.
Eva Kretschy
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