|
KORSIKA
Notizen einer Reise13. - 24.5.1999 12 Tage Urlaub im Mai, das macht 10 Tage Korsika und 2 Tage italienische Autobahn zwecks An- und Rückreise, so dachten wir (Hannes und ich), und so machten wir es auch. Bei Modena gerieten wir in einen Riesenstau, der uns fast schon daran zweifeln ließ, ob wir noch rechtzeitig zur Fähre in La Spezia kommen würden, doch wir schafften es sozusagen in letzter Minute. Abfahrt war sowieso erst am nächsten Morgen, aber weil uns das Reisebüro vermittelt hatte, übernachteten wir in einer Kabine an Bord - das ersparte uns morgendlichen Stress (wer uns kennt, weiß, wie sehr wir solchen hassen). Als wir aufwachten, setzte sich das Schiff gerade in Bewegung - ein verschlafenes "Wir fahren schon", und bald sahen wir den Hafen hinter uns verschwinden. Ein einsames Frühstück in der einsamen Bar - auf dem Schiff befanden sich geschätzte zehn Fahrgäste - ließ mich zu der Überzeugung gelangen, daß um diese Jahreszeit wohl kein Mensch nach Korsika fährt, mit Ausnahme von solchen Spinnern wie wir. Während der fünfstündigen Überfahrt hatten wir also ganze Salone für uns, das werden wir auf der Reise zum Welttreffen in Griechenland bestimmt noch vermissen.
Wir fahren die Küstenstraße entlang, immer wieder ein genuesischer Turm (die Genuesen hatten während ihrer Herrschaft vor etwa 1000 Jahren die ganze Insel mit einem Nachrichtensystem aus unzähligen solcher Türme überzogen); bei Tomino Ausblick auf die Bucht von Macinaggio (ein touristischer Hafenort mit Jachthafen) - wir campieren in der Nähe - idyllisch und botanisch. Wir passieren das Dorf Nonza mit seinem am Felsen gelegenen Turm und umrunden weiter das Cap, bis wir schließlich St. Florent erreichen, ein rühriges Hafenstädtchen mit kreisrunder Zitadelle. Spaziergang und ein eisgekühlter Drink (das Angebot in den Bars ist weit phantasievoller als bei uns). Dann eine Fahrt durch die Désert des Agriates, die Agriatenwüste, eine ziemlich menschenleere Gegend, kaum Straßen oder Wege, nur Macchie; ab und zu quert eine Ziegenherde die (einzige) Straße oder eine Kuh läßt sich nicht stören. Am späten Nachmittag erreichen wir den Badeort Ile Rousse, sitzen pizzaessend am Strand, die ersten Badegäste wagen sich zitternd ins Meer... Wir spazieren die Hafenpromenade entlang bis zum Leuchtturm und lassen den Blick zurück über das Städtchen schweifen. In der Nähe finden wir einen Campingplatz, der total verlassen wirkt - bis auf eine Bungalow-Familie. Wir genießen erst mal eine Luxus-Dusche und fragen uns, ob da wohl noch jemand kommen mag? Nach einer ruhigen, erholsamen Nacht verlassen wir diesen idyllischen Platz und zahlen freiwillig die 70 F, obwohl sie niemand von uns verlangt. Auf nach Calvi, wo wir durch die Altstadt flanieren, von der Zitadelle den Hafen überschauen und etwas später dann vom Hafen zwischen den Booten andächtig zur Zitadelle zurückblicken. Dann die zerklüftete Westküste in südlicher Richtung, Zwischenstop in Galeria, und weiter mit dem Gekurve - 80 km in drei Stunden oder so ungefähr. Dafür kann sich das Auge gar nicht satt sehen an der einmaligen Landschaft. Porto liegt sehr malerisch im gleichnamigen Golf, auf einem roten Felsen der obligate Turm. Ein Kaffee zur Aufmunterung, dann fahren wir die Südküste des Golfs Richtung Piana. Die roten Felsen bilden hier eigenartige Formationen wie z.B. Hundekopf, Schildkröte, Bischof usw. Diese Landschaft ist als "Calanche" bekannt, wir marschieren einen etwa einstündigen Fußweg durch ein Labyrinth aus rotem Felsgestein, das einen farblich reizvollen Kontrast zum tiefblauen Meer bildet. Von Piana dann hinunter in die Bucht von Ficajola, dasselbe Schauspiel, ein Strand mit ersten Badegästen... Ich persönlich begnüge mich vorerst damit, die salzige Meeresluft zu schnuppern und mit den Füßen kurzlebige Muster und vergängliche Botschaften in den Sand zu zeichnen, die das Meer oder der Wind bald darauf wieder unkenntlich machen und forttragen... Wir müssen noch bis nach Cargèse, bevor wir einen Schlafplatz finden, und ermattet sinken wir dann in unsere Entenfedern.
Am frühen Abend erreichen wir Propriano, Hafen- und Badeort am Golf von Valinco; noch ein Rundgang, bevor wir uns einen Übernachtungsplatz suchen und unsere heute frisch eingekauften Vorräte verzehren. Dazu ein Pastis - Prost! Auf dem Weg nach Sartène zunächst eine genuesische Steinbrücke aus dem Mittelalter besichtigt. Sehr steil und widerstandsfähig gebaut (sie wurde natürlich restauriert), überquert sie den Rizzanèse. Viele der so ruhig dahinfließenden Bächlein sollen sich ja mitunter zu reißenden Strömen entwickeln, und manch genuesische Brücke erwies sich dann widerstandsfähiger als moderne Brückenbauten... Sartène, ein Gebirgsstädtchen mit malerischen Gassen und belebtem Hauptplatz, ist die angeblich korsischste aller Städte. Die Bistros haben ihr Mobiliar auf dem Platz verteilt und laden Einheimische wie Fremde zum Verweilen ein. Für Hannes ist dies ein ungewohnter Anblick, er erinnert sich an die vielen hier verbrachten Winter, wo bestenfalls ein solches Etablissement offenhielt und Gelegenheit zum (äußerlichen wie innerlichen) Aufwärmen bot... Auf jeden Fall kündigt er feierlich an: Jetzt zeig' ich dir MEIN Korsika - und meint damit jenes der Dolmen und Menhire: Alignement de Palaghju, Dolmen von Funtenaccia und noch einige andere in der Nähe. Sie stehen praktisch einfach so in der Botanik herum, mitten in der Macchie, zwischen den blühenden Zistrosen, und es ist oft gar nicht so leicht, sie zu finden. Die Sonne brennt herunter (trotz gegenteiliger Wettervorhersage), und wir schwitzen gehörig; ab und zu spendet ein Baum erquickenden Schatten. Zu Fuß queren wir Weideland, klettern über Zäune, machen auch mal einen größeren Umweg, wenn das Rindvieh gar zu gefährlich aussieht...
Später, viel später, nach einer Dusche, die wir bereits als nötig empfunden hatten, schlendern wir dann den Hafen entlang, werfen einen prüfenden Blick auf die Speisekarten der Restaurants, wählen schließlich ein erschwingliches aus und feiern unsere Halbzeit bei einem schmackhaften Essen und einem Glas (oder waren's doch zwei?) bodenständigen Rosé-Weines. Am nächsten Morgen, nachdem uns Philippe, der als seine Hauptbeschäftigung das Kampieren in den Falaises ansieht und "sicher nicht für immer" in Bonifacio bleiben will, Grüße an seine im 6. Wiener Gemeindebezirk wohnende Schwester aufgetragen hat, brechen wir zum Leuchtturm von Pertusato auf, um noch einmal den Blick zurück auf Bonifacio (auf Korsisch: Bunifazziu) und die Falaises zu genießen. Am Kap ist es äußerst windig, die Straße ziemlich kaputt: Wir müssen sie erst mit Steinen notdürftig reparieren, um überhaupt an unser Ziel zu gelangen.
Von Porto Vecchio begeben wir uns ins Landesinnere, waldig (mit Schwarzkiefern und Schirmpinien) und gebirgig; wir machen einen wunderschönen Spaziergang zum Castellu von Cucuruzzu (es heißt wirklich so) - einer prähistorischen Ansiedlung, wo man riesige Steine und eine deutliche Anordnung erkennen kann. Der Weg führt weiter durch einen - wie Hannes sagt - Hexenwald nach Capula, wo sich Prähistorisches und Mittelalterliches derart vermischen, daß es insgesamt einen ziemlich undefinierbaren Charakter erhält. Nach einer kurzen Rast im Bergdorf Zonza erklimmen wir den Col de Bavella mit Blick auf die eindrucksvollen Aiguilles de Bavella. Auf der anderen Seite windet sich die Straße weit schmaler hinunter und ist recht kaputt. An der Ostküste (wo vor allem lange Sandstrände zum Baden einladen) ist die Saison noch nicht eröffnet, was bedeutet, daß viele Campingplätze noch geschlossen sind.
Tags darauf fahren wir das Restonica-Tal hinauf, bis ans Ende der Straße. Doch dort herrscht ein unwirtliches Klima, Nebel, Sturm und leichter Nieselregen. Absolut nicht das, was man unter gutem Bergwetter versteht, also machen wir kehrt und parken ein Stück weiter unten, wo wir einen Bergpfad in Angriff nehmen, der eine mehrstündige Wanderung bis zu einem Plateau verspricht. Es ist ein steiniger und steiler Weg, stetig bergan in der Felsenlandschaft. Einmal kommt uns der Pfad gar abhanden, und nur mit Hilfe eines älteren amerikanischen Ehepaares (das im übrigen von den Pyrenäen schwärmt und die Alpen für terribly overcrowded hält) finden wir den "Trail" wieder. Kein Ende will der Weg nehmen, und ich weiß nicht, wann wir das Plateau erreichen. Dort suchen wir einen halbwegs windgeschützten Platz und verzehren unseren mitgebrachten Notvorrat. Der Abstieg geht dann ein bißchen schneller, doch sind wir ziemlich k.o., als wir unten ankommen. Wir fahren noch die 50 km bis an die Küste hinaus, die Kälte der letzten Nacht in den Bergen ist uns noch in lebhafter Erinnerung. Diesmal campieren wir zur Abwechslung direkt am Meer...
Den letzten halben Tag verbrachten wir am Strand südlich von Bastia; der Strandsee von Biguglia ist von einem Schilfgürtel umgeben und entzieht sich so unserer Annäherung. - Im Hafen von Bastia angekommen, halten wir zunächst vergeblich nach unserem Schiff Ausschau. Erst als ich verbotenerweise eine baufällige Treppe erklimme und über die Hafenmauer spähe, gewahre ich es herannahen. Der "Happy Dolphin" wird wieder genauso schütter besetzt sein wie bei unserer Ankunft, nur herrscht diesmal Schönwetter, und so verbringen wir fast die ganze Überfahrt an Deck (im Liegestuhl). Die klimatisierte Cocktail-Bar erscheint uns fast zu kühl. Um halb acht Uhr abends legen wir an, der Hafen von La Spezia ist im Vergleich riesig; bis wir vom Schiff dürfen, ist es fast acht. Wir wollen noch die 50 km bis nach Berceto schaffen, auch weil wir hoffen, dort den Campingplatz leichter zu finden. Es wird ein spätes Abendessen, wir müssen diesmal sogar die Petroleumlampe anzünden. Am nächsten Tag warten fast 1000 km Autobahn auf uns. Doch es hat sich gelohnt, Korsika im Frühling ist allemal die Reise wert, und irgendwann kommen wir sicher wieder!
|
![]() |
| | Top | | | | | URL: http://www.oecc.at/entenreisen/korsika.php | | | Stand: 30.10.2012 | | |