Australien II
- diesmal mit der Ente!
Es war frühmorgens und noch dunkel an diesem 1. März 2004, als wir
unsere schneebedeckte Heimat verließen und uns aufmachten nach Australien,
um dort an der mittlerweile 5. "Raid Australia" teilzunehmen. Natürlich
sollte unsere Teilnahme in einem standesgemäßen, raidwürdigen
Fahrzeug erfolgen, und auf der Suche nach einem solchen waren wir in Perth,
W.A. fündig geworden. Dorthin dirigierten wir also unseren Flug, und nach
vielen engen, unbequemen Stunden landeten wir in der Nachmittagssonne eines
westaustralischen Herbsttags. Trotz gründlicher Gepäcksdurchleuchtung
hatten wir die Einreiseformalitäten bald hinter uns gebracht, ein kurzes
Telefonat, und eine Viertelstunde später kam uns ein gelber AK abholen.
Ralph und Hanny waren unsere Gastgeber in diesen ersten Tagen, freundlich
und hilfsbereit, und dank ihrer Vermittlung konnte jedes Problem gelöst
werden (auch für unser am Wiener Flughafen vergessenes Zelt fand sich Ersatz).
Und dann übernahmen wir unser Raid-Auto: eine Acadiane mixte, leuchtend
gelb, mit vielen Pickerln, die auf eine bewegte (europäische) Treffen-
und Raid-Vergangenheit schließen ließen - dennoch machte sie einen
sehr gepflegten Eindruck. Man musste sie gleich von Anfang an mögen! Ralph
baute ihr noch das obligate Funkgerät ein, und wir statteten sie allmählich
mit unseren Habseligkeiten aus. Einen Teil unserer Ausrüstung hatten wir
ja von zu Hause mitgebracht, einen weiteren (großen) Teil stellten uns
Ralph und Hanny leihweise zur Verfügung, was dann noch fehlte, wurde angekauft.
Probeweise übernachteten wir einmal in Ralphs Garten, der nahtlos ins Buschland
überging, und das Rascheln der Bandicoots (eine Art Beutelratten) wurde
uns zunehmend vertrauter.
Unsere
erste größere Ausfahrt führte uns zu den Pinnacles etwa 250
km nördlich von Perth: Tausende Kalksteinsäulen, bis zu vier Meter
hoch, die meisten jedoch kleiner, erheben sich aus gelbem Wüstensand. Manche
sehen wir spitze Nadeln aus, andere ähneln wiederum Grabsteinen. Auch die
Temperaturen passen zu dieser Wüstenlandschaft, während in Perth vor
allem abends immer ein frischer Wind blies.
Perth selbst ist eine moderne australische Großstadt: im Zentrum ein
paar Wolkenkratzer, drumherum die sogenannten Suburbs, fast ländlich anmutende
Wohngebiete mit niedrigen Häusern inmitten von Buschland. Platz ist hier
nicht das Problem! - Das Wahrzeichen von Perth sind seine schwarzen Schwäne
am Swan River, der im Stadtzentrum breit wie ein See ist. Ein Ausflugsboot bringt
uns zur Hafenstadt Fremantle, die ihre koloniale Vergangenheit entdeckt hat
und sich zum Flanieren empfiehlt. Das
alte Gefängnis, das seine Funktion bis 1991 erfüllte, ist heute die
Touristenattraktion Nummer 1 - in einer amüsant-schaurigen Führung
lässt uns ein irischer Guide Einblick in den einstigen harten Gefängnisalltag
nehmen.
Am Freitag abend fand die erste Zusammenkunft der Teilnehmer an der "Raid
Nullarbor" statt, also der gemeinsamen Anreise aller "Westaustralier"
- von Perth nach Penola. Gefeiert wurde in einem chinesischen Restaurant, das
Bottleshop war gleich nebenan - hier lautet die Devise nämlich: BYO (Bring
Your Own), d.h. man bringt beim Restaurantbesuch die (alkoholischen) Getränke
selbst mit! (Für uns ein etwas gewöhnungsbedürftiger Brauch,
das tat der guten Stimmung aber keinen Abbruch.) Big Alex aus Salzburg war da
mit Vater, Skinny Alex aus Deutschland mit Mutter, natürlich Ralph und
Hanny, Carol und noch viele andere, die wir erst nach und nach kennenlernen
sollten.
Und am Sonntag ging's los: Auf einem Parkplatz versammelten sich etwa 20 Enten,
um sich auf die etwa 3000 km lange Fahrt bis zum Start der eigentlichen Raid
zu machen und dabei die berüchtigte Nullarbor-Ebene zu durchqueren, die
eine der einsamsten Strecken des Landes sein soll. Der (lateinische) Name lässt
eine baumlose Ebene erwarten, nun, das stimmt nicht ganz, doch es überwiegt
das niedrige Buschwerk.
Bald schon hatten wir die Großstadt hinter uns gelassen und fuhren durch
typisches australisches Buschland. Reger Funkverkehr ließ die Sache recht
kurzweilig werden. Wir hatten uns in vier Gruppen aufgeteilt, um einen langen,
behäbigen Konvoi zu vermeiden. Der Gegenverkehr wurde immer seltener...
Das
erste sehenswerte Ziel unterwegs ist der Wave Rock: wie eine erstarrte Brandungswelle
steht er in der Landschaft, geschaffen durch die Jahrtausende währende
Einwirkung von Wind und Wasser.
Die Straße von Hyden nach Norseman wird alsbald zur Gravel Road, ist
aber gut befahrbar. Am McDermid Rock, einer etwas kleineren Ausgabe des Wave
Rock, schlagen wir unser Bushcamp auf - es wird auch bereits dunkel. Das geht
hier ganz schnell, lange Dämmerphasen wie bei uns gibt es nicht. Das Wetter
ist eher unfreundlich, es gibt sogar ein paar Regentropfen (das kam etwa dreimal
während unseres fast siebenwöchigen Aufenthalts in Australien vor).
Am nächsten Tag erreichen wir Norseman. Es ist die östlichste "Stadt"
(drei Tankstellen, zwei Geschäfte...) in Westaustralien - doch bis zur
südaustralischen Grenze sind es noch 723 km. Allerdings
treffen wir hier auf den Eyre Highway, auf dem es nun dahingeht. Gesäumt
wird er nur von ein paar Roadhouses, wo man tanken, essen und auch übernachten
kann; Ortschaften gibt's hier nicht. Kurz nach Balladonia beginnt die 90 Mile
Straight: 90 Meilen (etwa 145 km) schnurgerade Straße, ohne die geringste
Kurve. Nach Caiguna suchen wir uns ein Bushcamp. Die Acadiane bewährt sich
zusehends als Schlaffahrzeug, auch das Gepäck findet allmählich seinen
Platz.
Wir werden noch im Finstern geweckt, bei Sonnenaufgang sitzen wir schon beim
Frühstück, es heißt früh aufzubrechen, denn die Tage sind
nicht allzu lang, und die Strecke ist noch weit. Über den Madura Pass (Abbruchkante)
geht es downhill und weiter nach Eucla. Hier
trifft der Highway auf die Küste, und wir wollen endlich einen Blick auf
die Klippen der Great Australian Bight werfen. Hier wartet aber auch ein schottisches
Paar mit kaputtem Motor auf den von uns mitgeführten Ersatzmotor. Diese
und noch andere Reparaturen ziehen sich lange hin, und so beschließen
wir, einstweilen vorauszufahren und einige Stopps an der Klippenküste einzulegen.
Lesley und Elaine in der roten "Candoit" (Wunschkennzeichen sind hier
noch freier gestaltbar als bei uns) begleiten uns.
Nachdem wir uns der Betrachtung der Klippen eingehend gewidmet hatten, war
unsere Gruppe immer noch nicht in Sicht. Auch am Funk herrschte Stille. So fuhren
wir also zu viert weiter: erst langsam und zögerlich, dann aber immer zügiger,
je später der Nachmittag wurde. Schließlich wollten wir noch ein
Roadhouse zum Übernachten erreichen. Das gelang uns auch - wir wurden jedoch
von niemandem eingeholt.
Am nächsten Tag fuhren wir besonders zeitig los und überraschten
die Gruppe vor uns beim Frühstück. Das ließ sich gemütlich
an - und so fuhren wir von nun an unter der Führung von Herman und Elly
weiter. D.h., Hermans 2CV war Gigi, und Ellys 2CV war Sadie - und Sadie war
immer das Schlusslicht. Ihr zuverlässiges "Sadie copy" am Funk
sollte noch legendär werden.
Wir kamen an diesem Tag bis Port Augusta, eine Gegend, die wir schon von unserer
vorigen Reise kannten. Darum schlugen wir vor, die weitere Route über Wilmington
und das Clare Valley zu nehmen, was freudig akzeptiert wurde, denn nach der
endlosen Weite der Nullarbor war die Aussicht auf kurvige Bergstraßen
recht verlockend. So genossen wir diese Abwechslung, umfuhren Adelaide großräumig,
überquerten den Murray River und campierten noch einmal in Meningie, nahe
der Küste. Penola war jetzt nicht mehr allzu weit entfernt, und am nächsten
Tag (inzwischen Freitag) würden wir dort eintreffen.
So
war's dann auch. In Penola sammeln sich die künftigen Raider am Sports
ground. Als wir ankommen, sind noch nicht allzu viele da, doch stündlich
werden es mehr... Am nächsten Abend steigt das Welcome Dinner, und da Penola
in einer Weingegend liegt, gibt es auch hervorragenden Wein zu verkosten (mein
Favorit war der Shiraz Viognier). Es ist schon die fünfte Raid Australia,
die nun beginnt, und viele Raider sind auch nicht zum ersten Mal dabei. Diesmal
sind erstmals die Australier in der Überzahl, die weiteren Teilnehmer kommen
aus England, Deutschland, Lettland, den Niederlanden, Schottland, den USA, Belgien,
Finnland, Österreich, der Schweiz und Brasilien. 65 Fahrzeuge sind gemeldet
- sie werden in zehn Gruppen starten. Zehn Gruppenführer werden vorgestellt,
unser bisheriger Führer Herman ist leider nicht darunter. So schließen
wir uns Petas Gruppe an - Peta hat die Gesamtroute für diese Raid zusammengestellt
und ist die Strecke im letzten Jahr probegefahren (in Begleitung ihrer Mum,
die auch heuer wieder dabei ist). Außerdem noch Hobo, von dem wir schon
viel gehört, den wir aber gerade erst kennengelernt haben.
Später stellt sich heraus, dass Herman doch auch ein Gruppenführer
ist, und nun sind wir echt in der Zwickmühle, denn auch in seiner Gruppe
wären wir gerne gereist. Diese Zerrissenheit sollte uns bis zum Ende der
Raid begleiten...
Am Sonntag vormittag starteten die einzelnen Gruppen. Anfangs ging es recht
gemütlich dahin, auf kleinen Landstraßen durch kleine Städtchen.
Irgendwann bogen wir auf eine Gravel Road ab, manchmal auch ziemlich sandige
Abschnitte. Zuerst durch die Little Desert, später durch die Big Desert;
das erste Bushcamp am Big Billy Bore. Die
Benutzung von Kochern war erlaubt, offene Feuer hingegen wegen der Waldbrandgefahr
verboten. Das sollte den ganzen Monat März über so sein, die Buschfeuer
vom letzten Jahr waren noch in schmerzlicher Erinnerung.
Nun sind wir schon mitten auf der Raid: viel auf Gravel Roads und Dirt Tracks
unterwegs. Über Pinaroo ging's nach Swan Reach, wo wir auf einer Fähre
den Murray River überquerten. In Morgan campieren wir direkt am Fluss.
Weiter in das hübsche Städtchen Burra und dann nach Peterborough ins
Eisenbahnmuseum
"Steamtown" - mit vielen alten Dampfloks und historischen Waggons
mit z.T. origineller Inneneinrichtung. Dann zum Magnetic Hill, der einen glauben
machen will, dass man mit seinem Auto bergauf rollt... Hobos Benzinpumpe ließ
sich davon zu sehr beeindrucken und versagte den Dienst. Da hieß es warten,
bis die Techniker mit den Ersatzteilen (im C35) kamen, die Camels, wie sie sich
nannten.
Jede Gruppe musste sich nämlich einen Namen geben: da gab es die Falcons,
die Rats, die Goslings, die Nomads, die Scooters, die Feagle(bastard)s, die
Termites, die F... (die sich dann in Wombats umbenannten), die Tulips... Als
die Camels schließlich kamen, war das Problem schnell gelöst, und
wir konnten weiterfahren. Da es schon spät am Tag war, nahmen wir die Asphaltstraße
von Hawker nach Wilpena und versäumten dadurch einen spektakulären
Mountain Climb. Trotzdem wäre uns in der Dämmerung beinahe ein Känguruh
in die Ente gerannt - die Folgen wollten wir uns lieber nicht ausmalen. (Es
ist deshalb nicht ratsam, einsame Strecken bei Dämmerung oder gar Dunkelheit
zu fahren, und wir haben das auch nach Möglichkeit vermieden.)
Es war also schon dunkel, als wir in Wilpena Pound ankamen. Leider war an
diesem Abend auch ein blöder Unfall passiert: eine Ente war einer anderen
hinten draufgefahren (die andere war zu unvermittelt stehengeblieben oder so...).
Auch sonst hatten einige Enten schon derart gelitten, dass ein gut Teil der
Raider am nächsten Tag hier blieb, um sich den nötig gewordenen Reparaturarbeiten
zu widmen. Auch unsere Gruppe war auf zwei Autos reduziert, und so fuhren wir
durch die Schluchten der Flinders Ranges - ein landschaftlicher Höhepunkt!
Wir
nahmen uns auch Zeit für einen längeren Spaziergang, und es war eindeutig
der Tag mit den meisten Känguruhs...!
Dann hieß es allerdings Kilometer zu machen - also rasten wir durch
Hitze und Staub. Zwischenstop am "Prairie Hotel/Road grill", wo sie
Känguruh und Emu zubereiten nach dem Motto: You kill it - we grill it.
Wir verkniffen uns hier eine Mahlzeit. Die Landschaft änderte sich grundlegend
- wurde flach und wüstenartig, und noch ein langer Weg bis Arkaroola. Das
Camp dort ist recht staubig, und es gibt kaum Schatten. Wir haben wahnsinnig
viel Staub im Auto... Und an die Fliegen kann man sich auch nicht wirklich gewöhnen,
nur an die Handbewegung des "swatting the flies away"... der australische
Gruß!
In Arkaroola ist ein "Ruhetag" vorgesehen. D.h. es wird nicht weitergefahren;
man kann sich selbst ein Tagesprogramm machen. Im Schnitt gibt es alle vier
bis fünf Tage so einen Ruhetag. Am Nachmittag brechen wir zusammen mit
anderen Raidern zu einer Geländewagentour in die Umgebung von Arkaroola
auf. Die Straßen bzw. Tracks, die wir dabei nehmen, sind für die
Ente wahrlich eine Nummer zu groß: extrem steil und steinig! Wir fahren
zu einigen Waterholes, und bei
Sonnenuntergang stehen wir an einem Lookout und blicken weit über das Land...
Ortschaften sind keine zu sehen. Kommentar der Australier: "Und das alles
ist Australien! Stünden wir jetzt an einem solchen Punkt in Europa, würden
wir schon drei Länder überblicken..."
Am nächsten Tag ist eine lange Strecke zurückzulegen: über
den Strzelecki Track nach Innamincka (447 km). Der berüchtigte Track entpuppt
sich als relativ gepflegte Schotterpiste - die "Zufahrt" von Arkaroola
her ist da schon weit ärger. Dennoch ist es heute ein langer Tag, und wir
sind recht froh, als wir in Innamincka mit seinem originellen
Pub eintreffen. Pubs in solcher Lage sind immer originell, denn mitten im Nichts
ist man für gewöhnlich multifunktional: Essen, Trinken, Duschen, Campen
- für alles ist gesorgt. Wir gönnen uns heute ein ausgiebiges Pub-Meal,
denn keiner will bei den Legionen von Fliegen auch noch kochen. (Außerdem
hat Hannes Geburtstag!)
Innamincka war der nördlichste Punkt der Raid. Von hier aus wäre
es auch gar nicht mehr weiter gegangen, denn Cooper
Creek (oft gänzlich ohne Wasser anzutreffen) stand drei Meter hoch über
der Straße...
Wir bogen also nach Süden ab und fuhren, von South Australia kommend,
über Queensland nach New South Wales. Am Cameron Corner treffen alle drei
zusammen. Ein Stein markiert die Stelle vor Ort, ein Pub markiert sie in der
Erinnerung. Auch heute war wieder ein langer Tag, und bis zum Bushcamp in Fort
Grey ist es auch noch ein Stück. Dort erwarten uns die beiden Alexe, die
einen Abschneider genommen und sich dann einen Tag hier ausgeruht hatten...
Die weitere Strecke führt uns nach Tibooburra, einem kleinen Städtchen
im Outback. Hier fallen fast alle Gruppen gleichzeitig ein, und so sind die
Tanksäulen für einige Zeit ausgelastet. Der nächste Ort, Milparinka,
ist eine verfallene Goldgräberstadt, von den Häusern sind nur noch
Ruinen übrig - einzig das Pub hat überlebt! Der Besitzer gehörte
zu denen, die nicht glauben wollten, dass an diesem Tag mehr als 60 Enten vorbeikommen
würden...
Unser nächstes Ziel heißt White Cliffs - doch wir sollten es an
diesem Tag nicht mehr erreichen. Auf einsamer Piste unterwegs, gab es plötzlich
- 40 km vor White Cliffs -ein sehr seltsames Geräusch (Marke Dauerton).
Hannes stieg aus und stellte fest, dass das Rad am Kotflügel streifte.
Warum das so war? Hobo meinte, der Schwingarm sehe ganz manierlich aus... Die
Tücke war das Schwingarmlager! Mit dem stimmte was nicht, und so hieß
es plötzlich: Wir können nicht mehr weiterfahren! Ich konnte es kaum
glauben, doch alle schickten sich an, hier neben der Straße das Nachtlager
aufzuschlagen (die Sonne stand schon sehr tief und würde demnächst
untergehen).
Peta und ihre Mutter Margaret fahren nach White Cliffs, um Ersatzteile aufzutreiben,
die sie uns am nächsten Morgen bringen wollen. Hobo und Uschi und wir beide
kochen uns ein Abendessen und gewöhnen uns an den Gedanken, hier neben
der Piste zu übernachten. Von den Camels fehlt jede Spur, wir wissen nur,
dass sie an diesem Tag so beschäftigt waren, dass sie wohl noch weit hinter
uns sein müssen. Also sind sie vor morgen mittag wohl nicht zu erwarten.
Plötzlich hören wir Margarets Stimme am Funk: sie hätten die
Ersatzteile und wären unterwegs...! Leider stellte sich aber heraus, dass
der Schaden noch größer war und noch mehr Teile gebraucht würden...
(Beide Lagerkäfige waren zerbröselt, etliche Kegelrollen zerbrochen
und auch die Lagerschalen, die in den Schwingarm eingepresst sind, waren nicht
mehr zu verwenden und mussten getauscht werden) Also fügten wir uns in
unser Schicksal und übernachteten hier an der Straße, 40 km vor White
Cliffs.
Am nächsten Morgen, wir schickten uns gerade an zu frühstücken
(dabei hatten wir es nicht eilig, denn wir machten uns auf eine längere
Wartezeit gefasst) - plötzlich Funksignale der Camels! Sie mussten schon
ziemlich in der Nähe sein, und wenig später waren sie auch schon da.
Sie hatten alles Nötige dabei, und so war der Schaden dann schnell behoben.
Wir konnten die Weiterfahrt nach White Cliffs antreten.
White Cliffs ist eine Opalstadt. D.h., es gibt viele Löcher im Boden
bzw. Berg, und ein Teil der Bewohner wohnt unterirdisch, in den sogenannten
Dug-outs - kühl und ohne Fliegen. Auch wir quartieren uns heute im Underground
Motel ein - das etwas andere Schlafgefühl... Abends steigt am Pool (der
mit eiskaltem Wasser gefüllt ist) eine spontane Party, Bernie und "Moz(art)"
spielen auf der Gitarre auf, die Stimmung wird immer ausgelassener, und für
so manchen wird es diesmal wirklich spät...
Tags darauf schließen wir uns Hermans Gruppe, den Tulips, an, da Peta
und Hobo erst später losfahren wollen. So geht es in gemütlicher Fahrt
den Darling River entlang nach Tilpa, einem Outback-Kaff mit 11 Einwohnern -
wirklich sehr remote. Nichtsdestotrotz (oder gerade deswegen?) ein sehr gemütliches
Pub, wo uns
- im gepflegten Garten - auch ein tolles Abendessen aufgetischt wird. Auch dieser
Abend ist wieder sehr lang...
Dann geht es - wieder mit den Termites - zurück nach Wilcannia, wo uns
Anthony in sein Haus einlädt. Ihm gefällt es hier im Outback, er lebt
schon 17 Jahre hier. Wir haben Lunch in seinem Garten direkt am Darling River.
Weiter nach Menindie, und schließlich fahren wir in die untergehende Sonne
hinein nach Broken Hill. Das Gelände wird tatsächlich hügelig.
Broken Hill ist ein Bergbauzentrum mit reichen Silber-, Blei- und Zinkvorkommen.
Es ist aber auch die einzige größere Stadt weit und breit und hat
daher verschiedene Versorgungsfunktionen für das Umland.
Big Alex hat für diesen Tag schon einen Termin bei der School of
the Air ausgemacht. Schon zeitig ziehen wir los, um einer Unterrichtsstunde
der Funkschule beizuwohnen. Heutzutage benützen die Schüler natürlich
Computer - und doch ist es spannend, auf die Antworten der Kinder zu warten,
wenn die Lehrerin eine Frage stellt. Obwohl wir nun schon einen kleinen Eindruck
vom Outback bekommen haben, ist es doch ziemlich schwierig, sich das Leben derer
vorzustellen, die immer hier draußen leben...
In Broken Hill besuchen wir auch die Royal Flying
Doctors. Sie fliegen nicht nur spektakuläre Noteinsätze, sondern stellen
eine einigermaßen regelmäßige ärztliche Versorgung der
Bevölkerung in weitem Umkreis sicher. Auch sie haben eine bewegte und abenteuerliche
Geschichte, in der Hitze, Staub und Fliegen immer präsent sind.
Zum Glück brauchen wir aber doch keinen Arzt, sondern nützen in
der Folge die städtischen Einkaufsmöglichkeiten, Internet-Anschlüsse
und sonstige Annehmlichkeiten. (Es gibt in Australien fast überall recht
gut ausgestattete Camping Shops, davon können wir hier zu Hause nur träumen...).
Auch dem Sculpture Park
"The Living Desert" statten wir einen Besuch ab, dort können
die bildhauerischen Werke internationaler Künstler bewundert werden. Unter
den Termites gibt es aber welche, die eine ganz andere Vorstellung von "culture"
haben (ziemlich blechern und nach Baujahren klassifizierbar...)
Am
späten Nachmittag fahren wir nach Copi Hollow, einer Oase im Seengebiet
um Menindie. Ein einziger See hat noch Wasser, und die Badefreudigen unter uns
machten sich hier einen schönen Nachmittag. Wir kommen - wie meistens -
rechtzeitig zum Sonnenuntergang: das ergibt noch ein paar schöne Fotos
und ein Barbecue im Dunkeln.
Die weitere Route führt uns in den Mungo National Park, der sich auf
der Fläche eines vor etwa 10.000 Jahren ausgetrockneten Sees erstreckt.
Eindrucksvoll am Ostufer die sog. Walls of
China, eine sichelförmige Sandsteinformation von 30 km Länge. Die
Hitze hält uns nicht ab, sie zu erklimmen, und von oben genießen
wir einen tollen Blick über den ehemaligen Seegrund.
Es geht weiter südwärts nach Kyalite, wo ein sonntägliches
Mittagessen mit dem Historic Car Club auf dem Programm steht. An das urige Pub
war ein großer Speisesaal angebaut, der mit seinem kahlen Estrichboden
nur mäßig einladend wirkte. Auf den Tischen lagen bunte Kärtchen
mit folgender Aufschrift: Welcome to our unfinished dining area. Koch haben
wir auch noch keinen! - Dafür gab's aber hervorragendes Lamm.
Die nächste Station ist Swan Hill. Wir campen am River. Gruppenfoto ist
angesagt. Alle erscheinen im flaschengrünen Raid-T-Shirt, deponieren ihre
Kamera auf einem kleinen Tischchen und werfen sich in Pose. Hilfreiche Seelen
drücken dann ab: Klick, klick, klick, klick... Auf das Ergebnis darf man
gespannt sein. - Abends
feiern wir Uschis Geburtstag bei einem chinesischen Dinner.
Über Nacht kommt Wind auf, am nächsten Morgen ist es deutlich kühler.
Es ist, als ob es schlagartig Herbst geworden wäre. Leider hat das interessanteste
Museum von Swan Hill, das Pioneer Settlement, einem Dorf der frühen Jahre
nachempfunden, heute (Montag) geschlossen. Die Light and Sound-Tour am Abend
entschädigt uns ein bisschen: Mit einem kleinen Zug fahren wir durch das
nächtliche Museum - über uns der Sternenhimmel mit dem Kreuz des Südens,
ein Känguruh huscht (außerplanmäßig) durch die Szene.
Wir fahren von Gebäude zu Gebäude, das Licht geht an, und ein Tonband
erzählt seine jeweilige Geschichte. Zum Schluss halten wir beim alten Raddampfer
"Gem",
der einmal Queen of the Murray war.
Am nächsten Tag ist wieder ein typischer Fahrtag, wir haben eine weite
Strecke zurückzulegen. Typische Buschlandschaft, ab und zu ein Outback-Kaff.
Wir übernachten diesmal auf einer ehemaligen Emu-Farm: drei
Emus sind noch da. Sonst gibt's nur mehr Schafe. Nach dem Nachtmahl hocken wir
zusammen, in der Ferne links und rechts Feuerschein, wahrscheinlich von Buschfeuern
stammend. Mozart lässt die Gitarre erklingen...
Der nächste Vormittag bietet Kultur der anderen Art: Der Farmer führt
uns durch sein Anwesen, zeigt uns seine Gerätschaften, den Woolshed mit
der Schafschermaschine, den Schuppen mit allem, was sich darin so angesammelt
hat an alten Utes (Nutzfahrzeugen), Motorbikes usw.
Auf der Weiterfahrt kommen wir durch das Städtchen Walla Walla, wo mitten
auf der Straße ein regloser Kookaburra
sitzt. Hobo rettet ihn mit Hilfe eines ausrangierten Weinkartons (Chateau de
Cardboard ist in australischen Bushcamps recht populär!) und bringt ihn
von der Straße weg. Was ihm wirklich fehlt, können wir nicht feststellen,
und so übergeben wir ihn einem fürsorglichen Anrainer, der verspricht,
ihn zum Tierarzt zu bringen. Über das weitere Schicksal dieses Vogels ist
uns nichts bekannt, doch hoffen wir inständig, dass er mittlerweile wieder
sein unvergleichliches Lachen in den australischen Busch schickt...
Plakativer australischer Humor ist im Ettamogah
Pub angesagt, Mate, hier wird kein Aussie-Klischee ausgelassen; lockere Sprüche
verzieren die Bar, einschlägige Cartoons die Wände ringsum... Kurz
darauf halten wir am Kinross Woolshed, der ebenfalls zu einem Pub umfunktioniert
wurde. Doch welcher Gegensatz - hier gibt's zünftige Pub-Meals in ganz
unaufdringlichem historischen Ambiente, hier muss nichts heraufbeschworen werden,
und doch sind die alten Zeiten irgendwie noch lebendig...
Die Landschaft ändert sich gewaltig: es gibt grüne Hügel! Wir
stoppen am Hume's Weir, einem
Staudamm, dessentwegen seinerzeit eine ganze Stadt - Tallangatta - umgesiedelt
wurde. Das viele Wasser wirkt fast "unaustralisch".
So erreichen wir Myrtleford, und hier heißt es Abschied nehmen von Hobo
und Uschi, die uns nun verlassen. Am folgenden Nachmittag machen wir einen Ausflug
in die alte Goldgräberstadt Beechworth:
hier geht es heutzutage eher touristisch zu, die Häuser sind schön
hergerichtet, stehen unter Denkmalschutz. Da haben wir schon andere Goldgräberstädte
gesehen... Wir befinden uns hier in den Australischen Alpen, und tatsächlich
erinnert uns die Gegend ein wenig an zu Hause - nur die Gum Trees scheinen sagen
zu wollen: Nein, das ist Australien!
Inzwischen ist es April geworden: es herbstelt, die Abende werden kälter
- und endlich gilt auch der Total Fire Ban nicht mehr! Das lang ersehnte erste
Lagerfeuer der Raid kann stattfinden - und es wird ein gewaltiges Freudenfeuer!
Doch was heißt eines - gleich fünf davon werden entfacht: Aus Sicherheitsgründen
(die Waldbrände vom letzten Jahr sitzen allen noch in den Knochen) werden
die Feuer im Barrel, also in der Tonne, entzündet. In der Mitte ein großes,
rundherum ein Ring von kleineren Feuern, und dazwischen sitzt man. Wärme
von allen Seiten, aber damit nicht genug: Ein kleines Schauferl Glut unter den
Campingsessel, und man hat's auch von unten schön warm...! Auch die Gitarren
lassen nicht lange auf sich warten, die Stimmung wird immer ausgelassener, es
wird musiziert und getanzt, und kalt ist jetzt keinem mehr! Nur die Nachtruhe
kommt heute eindeutig zu kurz!
Am nächsten Tag ist unsere Gruppe auf zwei Fahrzeuge zusammengeschrumpft.
Verhältnismäßig früh am Tag suchen wir eine Winery auf
- der Winzer ist auch nicht ausgeschlafen: er hat letzte Nacht seine Trauben
gelesen (eine Frage der Temperatur). Petas Hinterrad steht verdächtig schief
(was mit der Weinverkostung nichts zu tun hat!).
Die Strecke nach Licola entpuppt sich als Tour der Leiden: die Straße
ist very rough, steil und steinig. Das ganze Auto wird durcheinandergerüttelt,
man kann fast spüren, wie sich die einzelnen Schrauben lockern... Hannes
leidet sichtlich, er würde jetzt gern langsamer fahren, doch es wird bald
dunkel... Im Finstern kommen wir in Licola an - heute sind wir ziemlich geschafft.
Über kurvige Bergstraßen geht es weiter nach Dargo - mit einem
Abstecher in den Mitchell River National Park. Dort machen wir eine kleine Wanderung
zur Den
of Nargun - und befinden uns bald in einer winzigen Regenwald-Enklave mitten
in Victoria. Wer hätte so etwas hier erwartet?
Von Dargo ist es nicht mehr weit nach Mt. Hotham, einem australischen Schigebiet
auf über 1800 m Seehöhe. Natürlich ist um diese Jahreszeit hier
nichts los, und die Infrastruktur (von der Vierersesselbahn über den Schi-
und Snowboardverleih bis zu den Unterkünften) steht ziemlich verloren in
der Gegend herum. Im benachbarten Dinner Plain reiht sich ein Chalet in skandinavisch
anmutendem Baustil an das andere. Diese Häuschen erzielen exorbitante Preise
auf dem Immobilienmarkt, und die meisten Familien erwerben nur einen sog. 'Anteil',
also das Nutzungsrecht für den Winterurlaub. Nach eingehender Besichtigung
kommen wir gegen Abend in Omeo an.
Für das nächste Teilstück schließen wir uns wieder den
Tulips an: Bei herrlichem Wetter erwartet uns eine anspruchsvolle, aber lohnende
Bergstrecke, natürlich Gravel. Oder liegt es doch an der gemütlichen
Gruppe, dass wir heute viel Spaß haben? Ziel ist Buchan mit seinen Caves.
Wir müssen auf eine Tour warten und nehmen inzwischen einen Picknick-Lunch
ein. Die Fairy Cave ist eine wunderschöne Tropfsteinhöhle, man muss
oft gebückt gehen, der Weg ist schmal, doch man ist ganz nahe an den Tropfstein-Formationen.
Wir fahren mit den Nomads weiter, damit niemand auf uns warten muss. Einkaufsstopp
in Orbost, dann weiter an die Küste nach Marlo. Hier treffen wir wieder
auf Alex & Alex und tauschen unsere Erlebnisse aus. Abends am Lagerfeuer
bereitet Ralph einen Damper zu - süß, eine Art Rosinenbrot.
Es ist ein regnerischer Tag hier an der Küste - eine Seltenheit auf unserer
Reise. Und doch scheint sich das Wetter aufs Gemüt zu schlagen - oder sind
wir nur traurig darüber, dass sich die Raid dem Ende zuneigt? Der Snowy
River, der aus dem Gebiet des Mt. Kosciusko kommt, mündet hier ins Meer.
Ganz in der Nähe gibt es neuerlich eine Regenwald-Enklave.
Über eine gewundene Straße geht es zurück nach Buchan und
von dort in Richtung Jindabyne - vorbei an einer im Vorjahr abgebrannten Tankstelle
in Seldom Seen
(die traurigen Überreste waren zu witzigen Skulpturen neu drapiert worden,
wohl zum Zeichen, dass auch hier das Leben weitergeht), Suggan Buggan (mit altem
Schulhaus) - und in unser letztes Bushcamp.
Der letzte Tag der Raid führt uns über Jindabyne mit seinem malerischen
Stausee zum Mt. Gladstone Lookout, wo uns eine Überraschung erwartet: Ein
etwas alpenmäßig gestalteter 'Austrian
Tearoom' offeriert Kaffee und Apfelstrudel! Letzterer präsentiert sich
in australischer Aufmachung mit Eiscreme, Schlagobers und Beerengarnitur, ansonsten
schmeckt er aber fast wie zu Hause.
Weiter geht es über ein schmales Straßerl in das A.C.T. (Australian
Capital Territory), durch Canberra in den nördlichen Vorort Sutton. Dort
steigt abends die große Abschiedsparty. Zu essen gibt es reichlich, für
die Getränke gilt BYO (das wir ja jetzt schon kennen), und anschließend
werden alle Teilnehmer entsprechend gewürdigt, Mozart gedenkt in G'stanzln
der Ereignisse, die nun hinter uns liegen. Den Veranstaltern sei herzlich gedankt.
Die Stimmung wird immer ausgelassener und ist doch mit einem bisschen Wehmut
durchsetzt. Man tauscht E-mail-Adressen aus, doch keiner möchte jetzt wirklich
an die Zukunft denken...
Was
noch folgt, ist das "Cit In", das Internationale Citroen-Treffen in
Canberra. Es ist sehr anders als ein 2CV-Treffen, wie wir es kennen. Das zeigt
sich schon allein daran, dass Unterbringung und eigentliche Veranstaltung räumlich
getrennt sind. An einem zentralen Platz in Canberra werden die Fahrzeuge nach
Modellen planmäßig aufgestellt. Das sonst übliche Marktgeschehen
hält sich in bescheidenem Rahmen. Die Raid-Fahrzeuge stellen die größte
Gruppe dar und stehen in der Mitte. Es ist ihnen anzusehen, dass sie etwas erlebt
haben (obwohl manche sogar gewaschen wurden...)
Es bleibt aber auch genügend Zeit, um Canberra
zu erforschen. Wegen der vielen Kreisverkehre von vielen als "Roundabout
Capital", in dem man sich leicht verirren kann, geschmäht, finden
wir uns jedoch erstaunlich gut zurecht. Es ist nicht zu leugnen, dass die Stadt
am Reißbrett entstanden ist, die klaren Linien sprechen eine Sprache für
sich. Vom Mt. Ainslie Lookout gewinnen wir eine erste Übersicht. Der Lake
Burley Griffin (benannt nach dem Architekten, der die Stadt plante) trennt das
Geschäfts- vom Regierungsviertel. Das Parlament ist so in einen Hügel
hineingebaut, dass das Volk
auf dem Rasendach über den Köpfen der Politiker spazieren kann. Da
der Ostersonntag richtiges Museumswetter bietet, besuchen wir das Screen and
Sound Archive, das die Geschichte von Radio, Film und Fernsehen einmal nicht
nur von seiner technischen Seite, sondern auch vom Programm und seiner Wirkung
wiedergibt. Das Glockenspiel bringt heute Musik von Händel. Den Nachmittag
verbringen wir im Australia Museum, das sich dem Thema Land, Leute und nationale
Identität verschrieben hat. Abends stärken wir uns bei einem ausgezeichneten
Essen im Thai-Restaurant.
Über die Great Dividing Range machen wir noch einen Abstecher an die
Küste. Die Luft hier ist mild, doch der Herbst zieht auch in dieses Land.
Viel zu bald ist unser letzter Tag angebrochen. Vom Telstra Tower ein letzter
Blick hinunter auf Canberra, bevor wir die "Raid Oz" bei Ian zurücklassen.
Sie war unser treues Gefährt auf einer tollen Reise - und wir wünschen
ihr noch viele aufregende Kilometer!
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