RAID NORDGRIECHENLAND
Da das nächste Welttreffen wir Österreicher organisieren werden und
somit auch die Raid, möchte ich im folgenden versuchen, der geschätzten
Leserschaft des NARIZIN nahezubringen, was eine Raid überhaupt ist und wie
sie abläuft. Also: Eine Raid ist eine ca. einwöchige gemeinsame Fahrt
durch das jeweilige Gastland, mit dem Ziel, dieses etwas näher kennenzulernen,
und zwar nicht unbedingt und ausschließlich seine touristischen Super-Highlights,
sondern auch und vielleicht gerade die "kleinen Dinge am Wegesrand",
auf die man als Tourist gar nicht stoßen würde und die einem eben nur
Einheimische zeigen können. Organisiert sind dabei alle Übernachtungsplätze
sowie einzelne Programmpunkte, die besser in der Gruppe besucht werden; alles
andere ist eigentlich frei gestaltbar - natürlich gibt es ein Gesamtprogramm
und eine (hoffentlich) erprobte und empfohlene Route. Gefahren wird dabei nicht
im Konvoi (wie oft fälschlicherweise angenommen wird), sondern entweder allein
oder in kleineren oder größeren Gruppen, die sich beliebig zusammenfinden.
Bei den einzelnen Stationen des Tagesprogramms trifft man dann gewiß auf
andere Raidteilnehmer, und am gemeinsamen Übernachtungsplatz finden sich
dann sowieso wieder alle ein.
Als große Neuerung auf dem Raid-Sektor wurden in Griechenland erstmals
nicht nur eine, sondern gleich vier Raids angeboten: Nordgriechenland, Zentralgriechenland,
Peloponnes sowie die Abenteuer-Raid, die aber dann aus Mangel an Teilnehmern
(zumindest offiziell) nicht stattgefunden hat. Österreichische Teilnehmer
gab es meines Wissens nur an der Raid Nord, und zwar: Hermi und Peter, Michaela
und Stefan sowie Hannes und ich. Wir beiden letzteren entschieden uns für
die Raid Nord, weil wir uns in Griechenland insgesamt schon relativ gut auskennen
und der Norden für uns am ehesten unbekanntes und weniger touristisches
Neuland zu sein versprach.
Nun
zum Programm:Der erste Tag stand im Zeichen der Archäologie - wir brachen
vom Treffenplatz in Richtung Vergina auf, besichtigten aber nicht die dort ansässige
Brauerei (die Wolfgang K. aus M. ausfindig gemacht hatte), sondern die Grabmale
der makedonischen Royals, u.a. von Philipp II., dem Vater Alexanders des Großen.
Von außen sieht man nur einen Hügel (Tumulus), denn da das alles
nach damaligem Glauben zur Sphäre der Unterwelt gehörte, sind diese
Bauten zur Gänze unterirdisch. Unsere Führerin erzählt interessant,
aber langatmig... und wir schätzen die unterirdische Kühle, denn draußen
brennt zu diesem Zeitpunkt die Sonne herunter. - Dann kommt der Off-Road-Teil:
Bei Naoussa besuchen wir ein Weingut, wo es den Keller zu besichtigen und u.a.
den (sehr) trockenen Naoussa-Rotwein zu verkosten gibt. Auf der Weiterfahrt
dann sintflutartige Regenfälle, die aber zum Glück aufgehört
haben, als wir Pella erreichen - hier liegt der makedonische Königspalast
in Ruinen zu besichtigen. In Epanomi hinter Saloniki campieren wir dann, und
es regnet wieder!
Am zweiten Tag stand die Chalkidike-Rundfahrt auf dem Programm, und da darf
natürlich Baden, Schwimmen, Schnorcheln... nicht zu kurz kommen. Das Wetter
spielt mit - ab jetzt ist es überhaupt nur mehr griechisch heiß.
Wir steuern den 2. Finger, Sithonía, an, der landschaftlich schöner
und nicht so vom Hoteltourismus verseucht zu sein scheint. Im Nordwesten, hinter
Nikiti, suchen wir uns einen Strand und machen den ersten Badestop. Das Meer
ist schön klar und angenehm warm. Danach wird die Küste steiler, bietet
aber schöne Buchten. An die Südspitze sollten wir nach Ende der Raid
noch zurückkehren, um nach der vielen "Action" ein paar ruhige
Tage am Strand zu genießen... Im Nordosten besuchen wir dann Vourvourou,
wo das Meer so seicht ist wie in einem Kinderplanschbecken. In einer Taverne
sorgen wir auch für unser leibliches Wohl, bevor wir uns auf die Weiterfahrt
machen. Wir passieren noch ein paar malerische Orte, bevor wir im Etappenziel
Olympiada eintreffen - es ist schon dunkel. Als Überraschung gibt es in
der Camping-Taverne dann griechische Musik - und gute Stimmung sowieso.
Am nächsten Morgen brechen wir auf, um in Kavalla rechtzeitig die Fähre
nach Thassos zu erreichen. Doch die Schlange der wartenden Autos ist zu lang,
und so schaffen wir es nicht, mitzukommen. Das ist natürlich ärgerlich,
denn damit hatten wir nicht gerechnet. Wir lassen die Ente dann in Kavalla und
setzen sozusagen zu Fuß über nach Prinos, verbringen einen gemütlichen
Nachmittag am Strand, der dann in einer Taverne bei ausgezeichneten Mydia saganaki
(zu deutsch: Muschelpfanne) ausklingt. Beim Kafé ellinikó kommt
dann unsere Fähre in Sicht, um 20 Uhr soll sie abgehen, es ist die letzte
für heute. Wir erleben den Sonnenuntergang an Bord, dann wird es allmählich
dunkel. Die Lichter von Kavalla leuchten stimmungsvoll, als wir im Hafen einfahren.
Am
Donnerstag besuchen wir Philippi, wo es Ruinen aus römischer, frühchristlicher
und byzantinischer Zeit zu besichtigen gibt, besonders anziehend sind dabei
natürlich die römischen Marmorlatrinen. Die Hitze macht uns hier echt
zu schaffen, denn das Gelände ist recht weitläufig. Dafür steht
als nächstes die wunderschöne Tropfsteinhöhle von Alistrati auf
dem Programm, reich dekoriert und angenehm kühl. In Serres kaufen wir dann
ein, denn heute ist Wildcampen am Kerkini-See, einem Hydro-Biotop, angesagt.
Doch an diesem Abend feiert Leon (ein alter Kumpel von der Raid Marokko, der
uns damals mehr als einmal mit einem Reifen aushalf und uns dadurch gerettet
hat) zünftig seinen 45. Geburtstag - mit einer endlos scheinenden Tafel,
die so ziemlich alle Raidteilnehmer vereinigt. Es geht hoch her und ausgelassen
zu - Gerüchten zufolge soll es aber doch einige Unverwüstliche gegeben
haben, die früh am nächsten Morgen auf Vogelschau gingen, d.h. mit
Booten auf den See hinausfuhren, um all das seltene Getier bzw. Geflügel
zu beobachten...
Weiter geht es dann zum Doirani-See an der Grenze zu Mazedonien, das die Griechen
"F.Y.R.O.M." (Former Yugoslavian Republic of Macedonia) nennen, um
es deutlicher von der nordgriechischen Provinz Makedonien zu unterscheiden.
Der See gleicht einer schmutzigen Brühe, doch drüben, in Mazedonien,
baden die Leute, wie ein Blick durch unser Fernrohr ergibt. In Kilkis gibt es
einen offiziellen Empfang durch die Stadtgemeinde (da das griechische Fernsehen
über das Welttreffen berichtet hatte, sind wir 2CV-Fahrer inzwischen einigermaßen
berühmt). Hannes und ich sind zu früh dran (auch das gibt's!) und
schauen der Polizei zu, wie sie die Straße sperrt und zum Parkplatz für
die zu erwartenden 2CVs umfunktioniert. Es gibt ein reichhaltiges Buffet griechischer
Köstlichkeiten, dann werden wir gratis durch die Höhle Ag. Georgios
geführt; der sympathische Führer erzählt Wissenswertes über
den Öko- und Heiltourismus in der sonst nicht sehr reichen landwirtschaftlichen
Präfektur Kilkis. Auch das archäologische sowie das Militärmuseum
(Balkankriege) dürfen bzw. müssen wir besichtigen. Wem danach ist,
der darf hinterher auch noch im Schlamm baden. Dann geht es wieder nach Epanomi,
wo wir am frühen Abend eintreffen. An diesem Wochenende ist dort Kirtag,
Standeln, viele Leute auf der Straße, belebte Szene - nicht so ausgestorben
wie am Montag.
Am Samstag verabschieden sich viele Raidteilnehmer bereits in der Früh.
Ein kleines Grüppchen fährt mit dem Bus nach Saloniki. Wir besuchen
das archäologische Museum, wo die Schätze aus Vergina und Philippi,
das makedonische Gold, aufbewahrt werden. Wir besichtigen auch die byzantinischen
Stadtmauern und besteigen schließlich das Wahrzeichen Salonikis, den Weißen
Turm, um den Überblick über Stadt und Bucht zu genießen. An
der dicht befahrenen Hafenstraße Konstantinou, die wir vom Durchfahren
nun schon gut kennen, reiht sich ein Café an das andere. - Wieder in
Epanomi, schmeißen wir uns ins hier eher schmutzige Meer, um nach der
heißen Stadt etwas Abkühlung zu finden. - Abends versammelt sich
die Runde der noch Anwesenden zunächst bei den Franzosen auf ein Gläschen
Pastis. Später bricht eine noch weiter reduzierte Gruppe auf zu den Tavernen.
Wir finden ein typisches Lokal mit unfreundlichem Wirt und himmlischem Essen.
Wir haben viel Spaß und nach der Rückkehr lädt Andy aus GB die
Runde noch auf einen Whisky ein - ein würdiger Abschluß.
Vom Abschiedsschmerz am nächsten Morgen, als dann endgültig alle
auseinandergehen, will ich hier lieber nicht schreiben. Überhaupt ist dies
als die Schilderung einer persönlichen Raid-Erfahrung zu verstehen; man
kann die Raid sicher auch ganz anders erlebt haben - aber vielleicht ist es
mir gelungen, Euch einen kleinen Eindruck zu vermitteln von dem, was eine Raid
sein kann.
Eva Kretschy
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