Voyage en BRETAGNE
Plötzlich stand der Urlaub vor der Tür, und unsere Ente zog es -
in die Bretagne! Warum, wissen wir auch nicht so genau, vielleicht ahnte sie,
dass sie dort noch einige ihrer Artgenossen finden würde, vorwiegend solche,
die mit ihren Besitzern alt geworden sind und immer noch treu ihren Alltagsdienst
versehen, ganz ohne Festgewand und Feiertagslack.
Vor der Bretagne aber liegt Orléans mit seinem Club, der bereits unvorstellbare
50 Jahre auf dem Buckel hat und dies entsprechend würdig feiert - Enten
allüberall: zu Wasser (die schwimmenden Enten am Gemeindeteich von Trainou),
zu Lande (im nassen Gras über den Treffenplatz verstreut) und hoch in den
Lüften (dabei hat ein Kran nachgeholfen).
Leider
erwies ich mich der Exzessivität französischen Feierns nicht gewachsen,
und so bricht der Bericht an dieser Stelle ab - ich kann mich nur noch an den
leicht süßlichen Geschmack der Boudin (französische Blutwurst)
erinnern...
Nach einem Zwischenstop in Chartres (des Labyrinthes wegen) zielen wir nun
aber wirklich die Bretagne an, auch wenn das Wunderwerk mittelalterlicher Baukunst,
Mont St. Michel, das Kloster auf einem Felsen im Meer, eigentlich noch zur Normandie
gehört.
Erst
ein paar Kilometer weiter fängt die Bretagne an, das Land der Klippen und
des Meeres, des Regens und des Windes, des Ginsters und des Heidekrauts, der
Menhire und der Kühe, der Crêpes und des Cidre, der ummauerten Städte
und umfriedeten Pfarrbezirke - und der 2CVs.
Nach dem Kampf der Regenschirme in Mont St. Michel ein erholsames Picknick
auf noch feuchten Holzbänken beim Menhir du Champ-Dolent, mit 9,30 Metern
Höhe einer der größten Hinkelsteine der Bretagne. Wenig später
ein (trockener) Spaziergang durch St. Malo, teils auf den Remparts, teils durch
die von Geschäften und Lokalen wimmelnden Gässchen. Das
Gezeitenkraftwerk an der Rance lässt wegen Bauarbeiten derzeit keine Besucher
ein, so sehen wir nur das Wasser einströmen und Strudel bilden (in die
man lieber nicht geraten möchte...)
Tags darauf ein paar sonnige Fotos im malerischen Dinan mit seinem schiefen
Uhrturm, seinem Panoramablick, seinen Fachwerkhäusern... Ein
Heidespaziergang durch Stechginster und Erika führt uns zum Cap Fréhel,
schroff abfallender rosa Granit. Rundum ziehen sich dunkle Wolken zusammen,
sie kreisen uns regelrecht ein - das lässt nichts Gutes erwarten. Gerade
rechtzeitig erreichen wir noch den Leuchtturm, wo wir Zuflucht vor dem Regen
finden, der hier nicht wirklich ungewöhnlich scheint.
Dafür gibt's die tollsten Regenbogen, auch in doppelter Ausführung.
Bunt schillernd erheben sie sich aus dem grauen Wattenmeer. Die
Luft ist frisch gewaschen und riecht auch so.
Das Radôme, die erste Satellitenübertragungsstation Frankreichs
(hier fand 1962 die erste Fernseh-Liveübertragung zwischen Europa und Amerika
statt), feiert seinen 40. Geburtstag, genau an diesem 11. Juli, als unser Weg
fast daran vorbeigeführt hätte. Hier kann man der Geschichte der Telekommunikation
nachspüren - heute sogar gratis. Ein Blick auf die Bilder des Wettersatelliten
Météosat zerstört unsere Hoffnungen auf Wetterbesserung.
Trost finden wir beim Cidre, dem berühmten Apfelschaumwein,
den so mancher Apfelbauer der Bretagne noch selbst herstellt.
Wir entdecken ein kleines Museum, in dem traditionelle und auch
modernere Produktionsmethoden erläutert werden. Mit dem in
unseren Breiten bekannten Apfelmost scheint der Cidre wenig gemein
zu haben, was uns nicht mehr so sehr verwundert, nachdem wir erfahren
haben, was man in der Produktion alles anders machen kann... Natürlich
gilt es ihn auch zu verkosten, den Cidre und seine Nebenprodukte
wie Apfelschnaps (hier Lambic genannt) und Apfellikör (Pommeau).
Wir
sind nun im äußersten Westen angelangt, im Département Finistère
(Finis terrae = das Ende des Landes, das Ende der Welt?). Stürmisch, felsig,
zerklüftet - ein rauhes Land, das auch rauhe Menschen hervorgebracht hat.
Ist es ein Zufall, dass man gerade in diesen Landstrichen besonders viele 2CVs
sieht?
Wir stehen an den Klippen und schauen hinüber nach Brest, den größten
Naturhafen Frankreichs. Hier, am Flaschenhals, lässt sich die Hafeneinfahrt
gut beobachten bzw. unter Kontrolle halten, was die Spanier in früheren
Zeiten taten, deswegen ist dieser Punkt nach ihnen benannt worden ("Pointe
des Espagnols").
In der Markthalle von Douarnenez gibt's jede Menge Fische und
Meeresfrüchte. Nicht umsonst ist es der größte
Fischereihafen Frankreichs. Auch Crêpes werden im Akkord
gebacken, und ein Maler, der die Weltmeere bereist hat, stellt
seine Werke aus.
Einem anderen Künstler begegnen wir in Pont-Aven, einem Städtchen,
das schon die Maler des 19. Jahrhunderts anzog. Für Jack
(und nicht nur für ihn) gehören 2CVs zur Bretagne wie
die Kühe, die Hinkelsteine und das Regenwetter...
Ein
2CV weist uns auch den Weg zum "Festival der alten Mechanik": Dampfmaschinen
und fast 100 Jahre alte Motoren, die sonst nur in Museen herumstehen und verstauben,
werden hier tatsächlich in Betrieb genommen, was einen ziemlichen Aufwand
bedeutet: Anfangs ein widerwilliges Ächzen, ein immer wieder abreißen-des
Tuckern, ein gleichmäßiger werdendes Rattern - dazwischen viel gutes
Zure-den, Schmieren, ein neuer Anlauf - bis so ein Riesending endlich in Bewegung
ist und dann auch noch weitere Applikationen wie Sägen oder Dreschmaschinen
antreibt. Und dann das gewisse Leuchten in den Augen der Besitzer, Sammler,
Betreiber oder einfach nur Fans: Wir haben es wieder einmal geschafft!
Das Wetter
ist sichtlich besser geworden, und Carnac in der Abendsonne hört sich recht
gut an. An der Straße campieren bereits die ersten Fans der morgen hier
vorbeikommenden Tour de France. Die Alignements/Steinreihen mit den unzähligen
Menhiren von Carnac sind inzwischen eingezäunt, und so kommt man ihnen
nicht mehr wirklich nahe.
In der Ferne ein Feuerwerk zum 14. Juli. Auf den Präsidenten
ist ein Attentat verübt worden, was das Land aber nicht besonders
aufregt.
Und dann erleben
wir sie doch noch, die sengende Sonne über der Bretagne! Strand-Alt-Erlaa
heißt hier La Baule, doch zum Glück haben wir hier nicht gebucht,
und so fahren wir weiter über ganz schmale Straßen durch die Marais
Salants, die Salzgärten. Bei Saint-Nazaire führt eine eindrucksvolle
Brücke über die Loire-Mündung, und das Département Loire-Atlantique
gehört offiziell nicht mehr zur Bretagne (was gestandene Bretonen aber
bestreiten).
Sei
es, wie es sei - im Pays-de-Retz, der Wahlheimat von Vicki und Bobby, haben
viele 2CVs sowie deren nähere und entferntere Verwandte eine letzte Ruhestätte
gefunden: naturnah und gut aufgehoben träumen sie hier... ja wovon?
Eva Kretschy
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