Entenreisen ohne Ente?
Irgendwann im vorigen Jahr fassten wir den Plan, die Raid Australia 2000
zu fahren. So viel war uns schon darüber berichtet worden, unsere Sehnsucht
war ins Unermessliche gewachsen, es schien einfach die logische Folge
zu sein, dass wir dahin müssen.
Doch dann, ich gebe es zu, schreckten wir vor den gewaltigen Kosten und
dem noch größeren Behördenkram zurück, den eine Verschiffung unseres Entchens
bedeutet hätte. Und so disponierten wir um (was keine leichtfertige Sache
war, ich erspare es mir und euch aber, hier in voller Länge darüber zu
berichten) und gestalteten unsere eigene Raid Australia 2000, zwar ohne
Ente, jedoch mit der gleichen Neugier und Expeditionslust, die uns auch
auf unseren Entenreisen immer geleitet hatte.
Es
ist eine tolle "Raid" geworden! Sie führte uns durch Sydney mit der Monorail,
die Ostküste nordwärts im Campervan, schnorchelnd in die Unterwasserwelt
des Great Barrier Reef, per Flugzeug nach Darwin ins "Top End", mit dem
4x4 in den Kakadu National Park, durch einen Krokodilfluss schwimmend
zu den Twin Falls, zu Fuß rund um den Uluru und in den Kings Canyon...
und irgendwann mit der Boeing 747 wieder nach Hause.
Es war auch eine Reise durch die Klimazonen. In Sydney ging gerade der Winter
zu Ende, es war entsprechend chilly (zuweilen empfindlich kühl), sodass wir
es uns gern im (technischen) Powerhouse Museum, im Aquarium oder auch im IMAX-Kino
mit der größten Leinwand der Welt gemütlich machten. Auch der Sydney Opera und
der Hafenbrücke (Zitat Hannes: "Das ist Heavy Metal, das brauche ich!") widmeten
wir uns eingehend. Die
kälteste Nacht erlebten wir sicher in den Blue Mountains, dem ersten Ziel, das
wir mit unserem Campervan ansteuerten. Doch wurden wir mit einem strahlend sonnigen
Morgen belohnt und wanderten uns in der Folge wieder warm. Weiter ging es nordwärts
- der Sonne entgegen. (Diese geht wie bei uns im Osten auf, steht mittags im
Norden und geht im Westen wieder unter.) Ungefähr am dritten Tag konnten wir
erstmals im Freien frühstücken. Wir machten Bekanntschaft mit der einzigartigen
Tierwelt (und verstanden dann auch die strengen
Quarantäne-Bestimmungen) und mit dem Regenwald (wo im Grunde ein brutaler Kampf
ums Licht herrscht - wir lernten, dass auch Pflanzen nicht vor Mord und Totschlag
zurückschrecken). Vor Australiens östlichstem Punkt (Cape Byron) tummelten sich
Wale, wie scharfäugige Beobachter vermeldeten. Brisbane zeigte uns seine Mangroven,
und irgendwann hörten wir zum ersten Mal das schier unbeschreibliche Lachen
des Kookaburra, des wohl berühmtesten australischen
Vogels. Wer es einmal hörte, vergisst es nie!
Bald
beherrscht das Zuckerrohr die Vegetation, und immer wieder kreuzt der
"Sugar Train" (eine Schmalspurbahn, die das "Cane" direkt von den Feldern
in die nächstgelegene Zuckerfabrik bringt) unsere Straße. In Bundaberg
wird neben Zucker auch Rum hergestellt, und natürlich müssen wir ihn auch
kosten, den "famous Bundy Rum", offensichtlich in ganz Australien bekannt
und beliebt. Das Klima ist jetzt schon angenehm warm; in Rockhampton erreichen
wir den Wendekreis des Steinbocks - hier beginnen die Tropen. Wir übernachten
bei den Capricorn Caves und sind so ziemlich allein da - bis auf ein paar
Känguruhs, einen Ameisenigel und einen Ex-Holländer, der nach uns noch
eintrifft. Am nächsten Tag wird es noch einsamer - im Platypus Bush Camp
gibt es außer uns nur noch ein Zelt. In der Dämmerung sitzen wir am Teich,
verhalten uns ruhig und versuchen, ein Schnabeltier zu sehen - leider
vergeblich (so bleibt jenes aus dem Aquarium in Sydney das einzige, das
wir zu Gesicht bekommen). Dafür werden wir tags darauf durch einige Prachtexemplare
von Goannas (Rieseneidechsen) entschädigt, die sich von Hannes sogar porträtieren
lassen. - Zurück
in der Zivilisation, grüßt uns die Stadt Bowen mit ihren Wandgemälden,
in Townsville erfahren wir einiges über Korallen, Mangroven und überhaupt
über das Zusammenleben von Pflanzen, Tieren und Menschen im tropischen
Klima. Cairns nähern wir uns sozusagen von hinten, über die Atherton Tablelands
- das Tafelland ist recht hügelig und besteht aus kegelförmigen Gipfeln
erloschener Vulkane. Die Millaa Millaa Falls ergießen sich malerisch in
einen kleinen Pool, in dem man hervorragend baden kann (wenn man das kalte
Wasser erst mal überwindet).
In Cairns tun wir natürlich, was alle Touristen tun - wir buchen eine
Riff-Tour! Was wir bisher nur im Aquarium und Museum gesehen haben, erleben
wir jetzt hautnah (Vorsicht, nicht an den Korallen schrammen!) beim Schnorcheln.
Das taucherbrillenbewehrte Auge kann sich gar nicht satt sehen, weiß kaum,
wohin es zuerst blicken soll...
Natürlich fahren wir auch mit der Nostalgie-Eisenbahn nach Kuranda, das
zunächst aus nichts anderem als Souvenirläden zu bestehen scheint, wo
sich die Didgeridoos, Boomerangs und Kuschel-Koalas nur so türmen. Etwas
versteckt entdecke ich dann ein Antiquariat und darin die Antworten auf
meine Fragen den südlichen Sternenhimmel betreffend. Die neueste Attraktion
dieser Gegend aber ist eine Fahrt mit der Skyrail - in Gondeln, die gelernte
Österreicher vom Schiurlaub her kennen, schwebt man hier über den Regenwald.
Das Projekt war nicht ganz unumstritten - es gab Proteste wie auch bürokratische
Hindernisse zuhauf, doch seit fünf Jahren ist die Skyrail in Betrieb -
zur Freude der Touristen und vor allem ihres Besitzers, eines ehemaligen
Zuckerrohrfarmers.
Ein halber Tag am Strand schließt unseren Aufenthalt in Cairns ab. Der
Campervan wird nach 4000 Kilometern zurückgegeben - er hat uns gute Dienste
geleistet. Im Vergleich zur Ente erschien er uns riesig und extrem geräumig.
In punkto Geländegängigkeit konnte er natürlich nicht mithalten, er soff
auch wie ein Loch, war andererseits aber erstaunlich leicht zu fahren.
Die linke Hand beherrscht das Schalten fast ebenso gut wie die rechte,
nur statt des Blinkers erwischen wir immer den Scheibenwischer.
Zweieinhalb Flugstunden später sind wir in Darwin. Dort herrscht das
typisch tropische feucht-heiße Klima, das jede Bewegung zur Anstrengung
werden lässt. In "Australiens schönstem Biergarten" schwirren ständig
die Ventilatoren. Sonnenuntergang an der East Point Reserve - und ein
kilometerlanger, einsamer Fußmarsch zurück in die Stadt; an der Bushaltestelle
ein Gefühl von "Warten auf Godot".
Dann
unsere Tour in den Kakadu National Park, der nicht nach den Kakadus, sondern
nach einem Aborigines-Stamm namens Gagadju benannt ist - Kakadus gibt es aber
trotzdem. Gemeinsam mit Simon, unserem Führer, Silke und Frank aus Deutschland
und Marijn aus Holland brechen wir frühmorgens im Landcruiser 4x4 auf. Bei einer
Bootsfahrt auf dem Adelaide River, dessen Wasser trüb und schlammig ist, kommen
wir den Krokodilen schon sehr nahe. Faszinierend und gruselig zugleich, wie
schnell diese Tiere nach ihrer Beute schnappen. Am Nourlangie Rock versuchen
wir anhand der Felszeichnungen, ein bisschen mehr über die Kultur der Aborigines
zu erfahren. Eine Rangerin erzählt über deren Kinship-System,
das heute Darwins Taxifahrer an den Rand der Verzweiflung bringe. Am Spätnachmittag
genießen wir die friedliche Stimmung am Anbangbang Billabong, wo sich die verschiedensten
Vögel beobachten lassen. Feuerholz sammeln wird zum fixen Tagesbestandteil,
Dusche fällt aus ("kostet zuviel Zeit"), dafür gibt's Sonnenuntergang am Yellow
Water. Das Abendprogramm besteht in Didgeridoo-Blasen mit unterschiedlichem,
zumeist mäßigem Erfolg, übernachtet wird in igluzeltförmigen Moskitonetzen.
Am
nächsten Tag besuchen wir zwei der tollsten Orte überhaupt: die Twin Falls,
nur schwimmend oder auf der Luftmatratze zu erreichen - in einem Fluss, der
nicht so ganz sicher vor Krokodilen ist! Bei den Wasserfällen ein idyllischer
Strand mit feinem, weißen Sand. Nach einem Fußmarsch über Stock und Stein erreichen
wir am Nachmittag dann Jim Jim Falls, jetzt in der Trockenzeit zwar nur ein
Rinnsal, das sich aber aus einer so gewaltigen Höhe in sein felsiges Becken
ergießt, dass es der Fotoapparat nicht fassen kann. Auch sind wir um diese Zeit
die einzigen Leute vor Ort und haben das ganze 40 m tiefe Pool, das zuvor über
Felsen erklettert werden muss, zum Baden für uns... Spätestens jetzt weiß ich
nicht mehr, wo genau das Paradies ist - oder gibt es deren doch mehrere?
Zum abendlichen Barbecue kommt Wind auf, der zuweilen unsere Tischkerzen ausbläst.
Er legt sich aber wieder, und so ziehen wir uns nach einigen "Cold
beers" zurück; zum Schlafen hatten wir einen sogenannten Swag ausgefasst
- eine Art imprägnierter Schlafsack aus Segeltuch, der zur Not auch vor Regen
schützen soll. Gegen drei Uhr früh spüren wir wirklich ein paar Tropfen und
wollen uns zunächst verkriechen, doch sehr bald wird der Regen stärker, Marke
Wolkenbruch, und geht dann später in einen Landregen über. Zum Glück hatte Simon
vorsorglich eine riesige Plane aufgestellt, und in panischer Eile bringen wir
unsere Zelte ins Trockene. So ein Tropenregen mitten in der Trockenzeit - hat
man nicht alle Tage!
Am
Morgen scheint aber wieder die Sonne, und es wird ein gewohnt heißer Tag.
Nach einem kurzen Bushwalk mit Waten durch ein Creek erreichen wir die
Barramundi Gorge, wieder kristallklares Wasser zum Baden, ein Wasserfall
als Dusche von oben, Felsen zum Klettern - ich glaub, von den Paradiesen
muss ich jetzt schon eine Liste machen... Wir bleiben so lange wie möglich,
veranstalten dann noch ein zünftiges Barbecue, bevor es wieder zurück
Richtung Darwin geht.
Für den Abend haben wir noch ein Meal Ticket im "Old Vic", unter dem
ich mir ein altehrwürdiges Hotel vorstelle, das aber bloß ein ziemlich
lauter "drinking spot" ist. Dafür sehe ich dort endlich ein Possum (hatte
nicht gewusst, dass man dazu eine Bar aufsuchen muss), das sich, wie es
scheint, dort auch sein Abendessen holt. Es ist ein sehr behendes Tier
mit riesigen Augen, das auf Bäumen lebt und fast menschlich anmutende
"Finger" besitzt.
Am nächsten Tag heiße Abschiedsszenen, die uns fast den Flieger versäumen
lassen. Zum Glück hat dieser auch Verspätung, und so klappt es doch noch.
Rechtzeitig zum Sonnenuntergang sind wir in Alice Springs. A town called
Alice - verschlafenes 20.000-Seelen-Nest und doch Metropole des Outbacks.
Macht die Nähe zum wohl berühmtesten Felsen der Welt - Uluru - the Rock.
"Nähe" bedeutet immerhin 500 km, doch im Outback ist das nur ein Katzenwurf.
Wir haben wieder einen Camper, und nach einer Exkursion in den Desert
Park (sozusagen zur Vorbereitung) und einem Abstecher in die MacDonnell
Ranges, wo die putzigen Rock Wallabies unsere Weiterreise etwas verzögern,
nehmen wir Kurs auf den "Uluru - Kata Tjuta National Park".
Den
Aborigines gilt er als heilig. Trotzdem ist er die größte Touristenattraktion
Australiens. Die offiziellen Informationsmaterialien suggerieren, dass
man von einer Besteigung des Uluru Abstand nehmen soll, da das ja nicht
ganz ungefährlich sei und die Aborigines sehr traurig wären, würde jemandem
dabei etwas zustoßen. Silke und Frank sind etwas ratlos, denn eigentlich
wollen sie den Aufstieg wagen, doch auch die Gefühle der Aborigines zu
verletzen liegt ihnen fern. Schließlich flattert ihnen ein Zeitungsartikel
in die Hände, der behauptet, es wäre schon okay, den Uluru zu besteigen,
die Aborigines hätten gar nichts dagegen. Da tun sie es dann auch, kurz
vor Sonnenuntergang - wie so viele schon vor ihnen und auch nach ihnen.
Die Aborigines bezeichnen dieses Phänomen mit einem Wort, das übersetzt
"Ameisenmob" bedeutet...
Doch auch bei einer Umrundung offenbart der Sandsteinfelsen seine Schönheit.
So unvermittelt er aus dem flachen Land emporragt, setzt er sich doch
unterirdisch fort und bildet eigentlich nur die Spitze eines "Eisbergs".
35 km weiter westlich: Kata Tjuta - "viele Köpfe" - nicht minder eindrucksvoll.
Die Wanderung durch das "Tal der Winde" eröffnet immer neue Aus- und Einblicke
in diese rätselhafte Welt der Felskuppeln.
Auch
der Kings Canyon lockt, und so nehmen wir die 350 km lange Fahrt auf einsamer
Straße gerne auf uns. Und werden reich belohnt: steil abfallende Wände
in unwahrscheinlichem Rot, die bienenstockförmigen Verwitterungen der
Lost City, tief unten ein kleiner Wasserlauf, der eine derart üppige Vegetation
mitten im kargen Felsgestein entstehen ließ, dass man sie den Garten Eden
nannte...
Südwärts führt die Reise auf dem Stuart Highway: etwa alle 150 bis 200
km ein Roadhouse, Ortschaften gibt es nicht. Die Landschaft wird nun wirklich
immer karger, wir sind allein mit und auf der Landstraße. Hunderte von
Kilometern geht es so dahin, man kommt zügig voran, denn man fährt immer
gleich schnell, und die Stops sind kurz, dafür sorgen schon die Fliegen,
sie sind von einer nie gekannten Lästigkeit.
Irgendwann kommt Coober Pedy - aus der Ferne erkennbar an den vielen
weißen Hügeln, neben denen dann aus der Nähe eine Tafel warnt: Bitte nicht
in das Loch fallen! Hier wird nach Opalen geschürft, und die vielen Minen
haben diese Mondlandschaft entstehen lassen. Die Miner wohnen auch in
ihren Dugouts - dort herrscht ganzjährig eine angenehme Temperatur. Sie
kamen, um ihr Glück zu machen, und ich traf einen, den seine Mine wirklich
weise gemacht hat...
Weiter südwärts bringen Salzseen etwas Abwechslung in die trockene Landschaft.
- In Port Augusta beginnt wieder die Zivilisation; wir nehmen die Route
über die Flinders Ranges, und das Land ist plötzlich wieder unwahrscheinlich
grün. Adelaide ist unser letztes Ziel, und als wir da ankommen, ziehen
wir uns wieder wärmer an. Noch schnell ein paar Souvenirs erstanden -
in der Shopping Mall herrscht am Sonntag reges Treiben, wohingegen man
am Montag fast erdrückt wird von den Crowds...
Ja, und dann heißt es Abschied nehmen. Am Strand von West Beach die letzten
Fotos geschossen. Zwischenstop in Singapur - der Flughafen bietet eine
Open-Air-Zone mit tropischem Klima. Die Olympischen Spiele im Fernsehen
lassen uns fast den Weiterflug versäumen. Doch irgendwann kommen wir an.
Sind wir jetzt wirklich wieder zu Hause? Ich weiß es nicht.
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